Raus aus dem Leitindex: Was hinter Porsches Abstieg steckt
33 Prozent Kursrutsch in zwölf Monaten, dazu ein klarer Rückgang bei Umsatz und Ergebnis – und nun der Exit aus dem wichtigsten deutschen Börsenbarometer. Ab dem 22. September 2025 wird Porsche nicht mehr im DAX geführt, sondern im MDAX gehandelt. Nachrücker ist Scout24. Für eine Marke, die hierzulande als Synonym für Sportwagen steht, ist das ein Einschnitt. Für CEO Oliver Blume ist es trotzdem kein Kurswechsel, sondern eine Zwischenetappe auf dem Weg zurück.
Blume spricht von „technischen Gründen“ für die Abstufung – und er hat damit einen Punkt. In den Indizes der Deutschen Börse zählt vor allem die frei handelbare Marktkapitalisierung. Porsche bringt zwar eine Unternehmensbewertung von rund 20,4 Milliarden Euro auf die Waage, doch der Streubesitz ist im Vergleich zu vielen DAX-Werten kleiner. Das drückt das Ranking. Ergebnis: Raus aus dem Leitindex, rein in den MDAX.
Dass Blume den Abstieg offensiv kommentiert, passt zur Lage. Der Aktienkurs fiel von einem Zwischenhoch knapp unter 120 Euro auf unter 45 Euro. Parallel trafen Sondereffekte das Ergebnis hart: Für die strategische Neuausrichtung, Batterieaktivitäten und Auswirkungen US-amerikanischer Zölle verbuchte Porsche im ersten Halbjahr rund 1,1 Milliarden Euro Sonderaufwand. Die Folge: Der Umsatz sank von 19,46 auf 18,16 Milliarden Euro, der operative Gewinn brach von 3,06 auf 1,01 Milliarden Euro ein.
Der Gegenwind kommt von mehreren Seiten. In China, dem größten Einzelmarkt vieler Premiumhersteller, blieb die Nachfrage schwächer als erwartet. Weltweit verläuft der Wechsel zur E-Mobilität zäher als geplant. Porsche kappte daraufhin eigene Batteriepläne und schraubt an der Kostenbasis – inklusive Personalmaßnahmen. Unterm Strich: Der Konzern muss die Profitabilität stabilisieren, ohne seine künftige Modellpalette und die Marke auszuhöhlen.
Und was bedeutet der Index-Abstieg ganz praktisch? Für Porsche weniger Sichtbarkeit im globalen Standard-Portfolio vieler passiver Fonds. Etliche DAX-Tracker müssen die Aktie verkaufen, MDAX-Tracker kaufen – ein mechanischer Kapitalfluss, der rund um den Stichtag für spürbare Handelsvolumina und kurzfristige Schwankungen sorgt. Fundamental ändert das nichts am Geschäftsmodell. Aber der Effekt auf die Nachfrage nach der Aktie ist real.
Blume hält dagegen: Er nennt Porsche „eines der wertvollsten deutschen Unternehmen“ – und liegt damit nicht falsch. Nur spiegelt der DAX nicht die absolute Marktkapitalisierung, sondern die Größe, die am Markt tatsächlich frei handelbar ist. Das ist der Kern jener „technischen Faktoren“, von denen er spricht. Wer die Rückkehr will, braucht also zwei Dinge: wieder steigende Bewertung – und ausreichend Streubesitz, der im Ranking zählt.
Zur Einordnung, was in den vergangenen Quartalen passiert ist, hilft ein Blick auf die wichtigsten Kennzahlen und Ereignisse:
- Kursentwicklung: minus 33 Prozent in zwölf Monaten; IPO im September 2022 zu 82,50 Euro; Zwischenhoch knapp unter 120 Euro; zuletzt unter 45 Euro.
- Bewertung: rund 20,4 Milliarden Euro Marktkapitalisierung – trotz Index-Abstieg weiter obere Liga im deutschen Aktienmarkt.
- Geschäft: Umsatz im Halbjahr von 19,46 auf 18,16 Milliarden Euro rückläufig; operatives Ergebnis von 3,06 auf 1,01 Milliarden Euro gesunken.
- Sondereffekte: ca. 1,1 Milliarden Euro Aufwand für Strategieanpassungen, Batterieaktivitäten und US-Zölle.
- Marktumfeld: schwächere China-Nachfrage, langsamerer EV-Hochlauf weltweit; Tempo der Transformation reduziert, Kostenprogramm gestartet.
Ein Punkt sorgt regelmäßig für Verwirrung am Markt: Es gibt die Porsche AG, den Autobauer, und die Porsche Automobil Holding SE, die Beteiligungsgesellschaft. Beide sind börsennotiert, beide tragen den Namen – aber mit unterschiedlichen Rollen. Die Index-Frage dreht sich hier um die Porsche AG, also den Hersteller. Wer Kurse vergleicht oder Geschäftsberichte liest, sollte genau hinschauen, welches „Porsche“ gemeint ist.
Wie realistisch ist das schnelle Comeback? Der Indexein- und -auszug folgt festen Regeln und Stichtagen. Im Kern entscheidet das Ranking nach frei handelbarer Marktkapitalisierung. Ein Verbesserungsschub kann aus zwei Richtungen kommen: aus dem Unternehmen (bessere Ergebnisse, klarer Ausblick, glaubwürdiges Sparprogramm, attraktiver Modellzyklus) – und vom Markt (steigende Risikoneigung, Sektor-Rotation Richtung Autos, Rückgang der Zinsen). Alles zusammen kann die Aktie in die Region heben, in der die Tür zum DAX wieder aufgeht. Aber dafür braucht es meist mehrere Quartale mit sauber abgelieferten Zahlen.
Operativ hat Porsche mehrere Hebel. Auf der Kostenseite laufen Programme, die Strukturkosten senken und die Flexibilität erhöhen sollen. Auf der Produktseite geht es darum, Bestseller stabil zu halten und die E-Modelle profitabel zu skalieren. Der Hochlauf der E-Mobilität verlangt viel Kapital und Geduld. Gleichzeitig darf der Verbrennerkatalog, der die Marge jahrelang getragen hat, nicht zu stark erodieren. Dieses Balancespiel entscheidet über die Rückkehr zu zweistelligen operativen Renditen.
Der chinesische Markt bleibt der härteste Test. Premium verkauft sich auch in schwierigem Umfeld – aber Rabatte und ein aggressiver Wettbewerb drücken die Preise. Wer in China wachsen will, braucht Lokalisierung, starke Partner und ein präzises Produktangebot. Keines dieser Themen löst man mit einem einzigen Modelljahrgang. Es geht um Feinjustierung über mehrere Quartale, bis die Marge wieder passt.
Die US-Zölle sind der zweite Störfaktor. Sie schlagen nicht nur über direkte Aufschläge durch, sondern auch über vorgezogene Lieferungen, geänderte Produktionsrouten und höhere Logistikkosten. Solche Anpassungen kosten Marge und Managementaufmerksamkeit. Dass Porsche einen Teil des Impacts als Sondereffekt verbucht hat, schafft zwar Transparenz, löst das Problem aber nicht dauerhaft. Erst wenn die operativen Kosten wieder im Regelbetrieb liegen, dreht die Ergebniskurve nachhaltig.
In Europa kommt ein drittes Thema dazu: Regulierung. Emissionsvorgaben, Zulassungsregeln, Sicherheitsstandards – alles berechenbar, aber teuer in der Umsetzung. Hersteller, die hohe Stückzahlen mit Premiumpreisen kombinieren, können das abfedern. Porsche hat diese Karte traditionell gut ausgespielt. Die Kunst ist, diese Stärke in die Elektro-Ära zu übertragen – mit Lieferketten, die resilient und zugleich kosteneffizient sind.
Was bedeutet der MDAX-Umzug für den Alltag der Aktie? Weniger internationale Pflichtnachfrage durch DAX-ETFs, dafür stärkere Verankerung bei aktiven Investoren, die Mid-Caps gezielt absuchen. Der MDAX ist kein Abstellgleis. Viele starke deutsche Namen haben von dort aus die nächste Wachstumsphase gezündet – und sind später wieder in den DAX aufgestiegen. Für das Management ändert sich die Pflicht: Quartal für Quartal liefern, Guidance halten, Cashflow sichtbar machen.
Blume setzt dabei auf einen klaren Narrativ: Porsche bleibt ein Hochmargenhersteller, der mit Fokus auf Exzellenz und Effizienz durch die Transformationsjahre geht. Der Kurs dazu: Projekte straffen, Batteriepläne neu justieren, Kapitaldisziplin hochhalten. Investoren hören so etwas gern, solange die Zahlen folgen. Entscheidend ist, dass die Maßnahmen im Ergebnis ankommen – in Stückzahlen, in Mix, in Rendite.
Eine Besonderheit im Fall Porsche ist der Markenwert. Er zieht Nachfrage, er stabilisiert Preise, und er ermöglicht Zusatzgeschäfte – vom Individualisierungsprogramm bis zu Sondermodellen. In der E-Ära wirkt Marke ebenfalls – nur anders. Reichweite und Ladeleistung sind Pflicht, aber Anmutung, Softwarequalität und Fahrdynamik bleiben Kür. Wer das Paket liefern kann, macht sich vom Rabatthandel der Großserie unabhängiger.
Gleichzeitig wird die Kapitalmarktstory geschärft werden müssen. Investoren wollen wissen, wie die Cash-Generierung in den nächsten zwölf bis 24 Monaten aussieht, wie hoch die laufenden Investitionen wirklich sind, wie die Dividendenpolitik in der Übergangsphase gestaltet wird und wo genau die Kostensenkungen landen. Klare KPIs, ein belastbarer Ausblick und Transparenz bei Sonderfaktoren sind der schnellste Weg, verlorenes Vertrauen zurückzuholen.
Für die Rückkehr in den DAX zählt am Ende die Summe vieler kleiner Schritte: weniger Sondereffekte, wieder steigende Umsätze, stabile Margen, ein Aktientrend, der die frei handelbare Marktkapitalisierung nach oben bringt. Dazu gehört auch, dass die Kommunikation zwischen den Stichtagen nicht abreißt. Der Markt honoriert, wenn Ankündigungen eingehalten werden – und bestraft, wenn Ziele nachträglich weichgezeichnet werden.
Und Scout24? Der Online-Marktplatz rückt in den DAX auf – ein Signal, wie stark der Index inzwischen Richtung Plattformen, Software und Services öffnet. Das ist kein Urteil über die Autoindustrie, sondern eine Momentaufnahme des Marktes. Indizes drehen sich mit der Wirtschaft. Heute dominieren Tech und Services den Kapitalfluss, morgen kann das Bild anders aussehen. Porsche muss zeigen, dass Premium-Automobilbau in diesem Umfeld weiter ein Wachstums- und Renditeversprechen ist.
Wer die Aktie verfolgt, sollte auf ein paar Marker achten:
- Ergebnisqualität: Wie hoch ist der Anteil der Sondereffekte am EBIT? Nimmt er Quartal für Quartal ab?
- Cashflow: Steigt der operative Mittelzufluss trotz Transformationskosten?
- China/US: Stabilisiert sich die Nachfrage, ohne dass die Bruttomarge kippt?
- Preisdisziplin: Bleibt der Mix stark genug, um höhere Material- und Logistikkosten auszugleichen?
- Indextechnik: Reicht die frei handelbare Marktkapitalisierung im Ranking wieder für einen DAX-Platz?
Blume gibt sich optimistisch und verweist auf die „neue Richtung“ des Unternehmens. Das ist mehr als Rhetorik, wenn es mit klaren Meilensteinen unterlegt ist. Ein belastbarer Fahrplan würde etwa definieren, wann die größten Kostensenkungen wirksam werden, wie der Modellhochlauf über die nächsten sechs Quartale aussieht und welche Renditebänder das Management intern anpeilt. Je konkreter, desto besser.
Bis zum Stichtag bleibt Zeit, die Story zu drehen. Das Quartalsrauschen kann helfen: Jede positive Überraschung beschleunigt die Neubewertung. Und die Indexlogik ist gnadenlos ehrlich. Wer liefert, klettert. Wer streut, rutscht. Für Porsche gilt nun: Im MDAX leiser arbeiten, an der Börse lauter überzeugen – bis die Tür zum Leitindex wieder aufgeht. Genau darauf zielt die Comeback-Ansage von Blume ab: Porsche DAX – nicht als Nostalgie, sondern als nächster Schritt in einer sauber finanzierten Transformation.
Der Weg zurück: Was Blume jetzt liefern muss
Was steht konkret auf der To-do-Liste? Erstens: Kosten runter, ohne das Produkt zu verwässern. Zweitens: E-Modelle profitabel machen und Lieferketten stabilisieren. Drittens: China in den Griff bekommen – nicht mit Rabatten, sondern mit passgenauen Angeboten. Viertens: Klarheit in der Kapitalallokation schaffen – Investitionen fokussieren, Renditeziele halten, Planbarkeit zeigen.
Der Kapitalmarkt verzeiht viel, wenn die Richtung stimmt. Porsche hat die Marke, die Historie und eine treue Kundschaft. Jetzt braucht es wieder die Zahlen, die das untermauern. Dann wird aus der MDAX-Phase eine Durchgangsstation – und aus der Comeback-Ansage ein konkreter Zeitplan. Genau daran wird das Management in den kommenden Quartalen gemessen werden.